




2019 Landestheater Tübingen Autorin Shumona Sinha REGIE Pia Richter BÜHNE UND KOSTÜME Julia Nussbaumer
DRAMATURGIE Laura Guhl
MIT Jennifer Kornprobst / Lisa Lantin / Rinaldo Stellar
Eine junge Frau sitzt in einem Pariser Gefängnis in Untersuchungshaft. Am Vorabend hatte sie in der Métro einem Migranten eine Weinflasche auf dem Kopf zertrümmert. Im Polizeiverhör sucht sie nach einer Erklärung für ihren Gewaltausbruch. Sie, selbst aus Indien nach Frankreich eingewandert und Dolmetscherin in der dortigen Asylbehörde, rekapituliert Szenen aus ihrem Pariser Alltag: Tag für Tag übersetzte sie die Aussagen derjenigen, die um eine Aufenthaltsgenehmigung kämpfen – wenn Armut und Elend es erfordern auch mit erfundenen Geschichten von politischer oder religiöser Verfolgung. War ihre Tat der Hilfeschrei einer überforderten Angestellten? Oder Ausdruck rassistischen Denkens? Auf wessen Seite steht sie? Sie befragt ihren Stammbaum, ihr Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer Herkunft.
Shumona Sinhas wütender wie poetischer Text lenkt den Blick auf die Übersetzer*innen und Beamt*innen, die Richter*innen und Amtsärzt*innen, auf die Rädchen, die das Getriebe der europäischen Abschottungspolitik am Laufen halten. Sinha wurde 1973 in Kalkutta geboren und lebt seit 2001 in Paris. Nach der Veröffentlichung von „Erschlagt die Armen“ 2011 verlor sie ihre Arbeit als Dolmetscherin bei der französischen Asylbehörde. Ihr Roman wurde 2016 mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet.
Pressestimmen
„Richters Verdichtung von Sinhas’ Text ist ein schonungsloses und entlarvendes Psychogramm von einer Verzweifelten, die die Lügengeschichten der asylsuchenden Bittsteller durchschaut, aber gleichzeitig Empathie für sie empfindet.(…)Die drei Schauspieler Jennifer Kornprobst, Lisan Lantin und Rinaldo Steller, die sich in ihren Rollen als Asylsuchender, Dolmetscherin und Beamtin abwechseln, führen in rasantem Tempo durch die frustrierenden Verhöre und grotesken Interviewsituationen. Es wird gebrüllt, peinlich lange geschwiegen und die beiden Beamtinnen werden regelmäßig von Lachkrämpfen geschüttelt.(…)Das 70-minütige Stück zeigt: Gesellschaftspolitisches Theater kann zynisch und hintergründig sein.“
17. Oktober 2019, Südwest Presse